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Über Darwin, Evolution und Homosexualität Urs Wartenweiler Wir erinnern uns: vor 150 Jahren erzählt ein Mann der Menschheit, dass nicht Gott sie geschaffen hat, sondern die Evolution. Über Jahrmillionen ist die gesamte organische Vielfalt der Erde aus Einzellern entstanden. Das heißt also, dass wir nicht nur von den Affen abstammen, sondern letztlich mit Amöben und Bäumen genau gleich verwandt sind wie mit Plankton und Pinguinen. Entsprechend lassen sich bei Mensch und Tier ähnliche Verhaltensweisen beobachten. Und so macht sich die Biologie langsam daran, beispielsweise Homosexualität bei Tieren zu erforschen. Gerade die scheint aber nicht ganz einfach zu erklären sein, denn wie in aller Welt passt das gleichgeschlechtliche Treiben bitteschön mit der Evolutionstheorie zusammen? „Against nature?” to pytanie jest tytułem norweskiej wystawy na temat homoseksualizmu w świecie zwierząt. Wystawa jest obecnie pokazywana pod tytułem „Rainbow animals. Om homosexualitetet i djurvärlden” w muzeum Naturhistoriska riksmuseet w Sztokholmie. ››› Darwin, ewolucja i homoseksualizm Schwule Humboldt-Pinguine im Bremenhavener Zoo. Quelle: Pressedienst Bremen INFO „Against nature?” fragt der Titel einer norwegischen Ausstellung zum Thema Homosexualiät in der Tierwelt. Die Ausstellung wird zurzeit in Stockholm unter dem Titel „Rainbow animals. Om homosexualitetet i djurvärlden” im Naturhistoriska riksmuseet gezeigt. Link zur Ausstellung |
„Die Aufgabe ist nicht, zu sehen, was noch niemand gesehen hat, sondern zu denken, was noch niemand gedacht hat über das, was alle sehen.” Wie zu keinem anderen Naturforscher des 19. Jahrhunderts passt Schopenhauers Aussage zu Charles Darwin. Auch wenn dieser vergleichsweise viel von der Welt gesehen hatte - zumindest in seinem jungen Alter - so erbrachte er doch die herausragende Leistung, eben das, was er gesehen hatte als erster neu zu denken. Man muss sich vorstellen, welch ketzerische Gedanken da im Theologen Darwin aufkeimten, in einer Zeit und Gesellschaft, in der man noch immer in weiten Teilen glaubte die Erde sei am 23. Oktober 4004 v. Chr. (nach Bischof Ussher) fix und fertig geschaffen worden mit dem Menschen als Gottes Ebenbild an ihrer Spitze. Reise mit der Beagle Gegen Ende seines Studiums der Theologie, das Darwin selbst als verschwendete Zeit betrachtete und daher um seine Kerninteressen Botanik und Geologie erweitert hatte, bot sich ihm durch Empfehlung seines Botanikprofessors die Gelegenheit mit dem Vermessungsschiff HMS Beagle eine Reise nach Südamerika und in die Südsee anzutreten. Allerdings hing die Entscheidung auch vom Kapitän des Schiffes ab und der war von Darwins Nase leider gar nicht angetan. Kapitän Robert FitzRoy war Anhänger der gerade aufkommenden Phrenologie und erkannte in Darwins Nase dessen schwachen Charakter. Robert Darwin, Charles' Vater, vermochte allerdings mit Zahlung der Reisekosten zu überzeugen (Darwin stammte aus gutem Hause) und so startete die Expedition am 27. Dezember 1831 nach abermaligen Verzögerungen doch - und mit Darwin an Bord. Geologie und Biologie verschmelzen Aus der einjährigen Reise nach Südamerika und in den Pazifik wurde eine fünfjährige Weltreise. Genug Zeit für Darwin, mit wachen Augen die Vielfalt der Welt zu entdecken. Mit an Bord hatte Darwin Charles Lyells Buch Principles of Geology, in welchem der Autor die These vertrat, dass die Entstehung der Welt ein langsamer und lang andauernder Prozess war. Als Darwin in Chile ein verheerendes Erdbeben miterlebte und sah, dass sich der Strand nach dem Beben um fast einen Meter erhöht hatte und als er später in den Anden fossile Meeresschnecken auf über 4'200 Meter Höhe entdeckte, gelangte auch er zum selben Schluss: Die Erde wurde nicht vor wenigen tausend Jahren geschaffen, sie hat sich über Jahrmillionen zu dem geformt, was sie heute ist. Seiner Schätzung nach betrug das Erdalter 300 Millionen Jahre. (Heute geht man von 4,6 Milliarden Jahren aus.) Auf den Galápagos-Inseln kam er schließlich zum Schluss, dass, was für die Geologie stimmt, auch für die Biologie stimmen musste: dass sich das Leben langsam und nicht sprunghaft entwickelt hat. Und nicht nur das, er fand auch Belege, die seine Gedanken stützten: Über die Inselgruppe verteilt entdeckte er 13 verschiedene Finkenarten, die sich zwar in Farbe und Musterung wenig voneinander unterschieden, hingegen unterschiedlichste Schnabelgrößen aufwiesen und letztlich derart verschieden waren, dass eine Paarung der verschiedenen Arten nicht funktionierte. (Welche Schlüsse Kapitän FotzRoy aus den Schnabelformen für die Charaktereigenschaften der Vögel zog, ist leider nicht überliefert.) Auf der einen Insel gab es - wie Darwin feststellte - eine große Anzahl verschiedener Insektenarten. Diejenigen Finken nun, die einen (mutierten) Schnabel hatten, der sich besser eignete, Insekten zu jagen, hatten einen entscheidenden Vorteil gegenüber jenen Tieren, die diese Mutation nicht aufwiesen. Diese spontan veränderten Eigenschaften konnten nun weitervererbt werden. Mutation/Variation und (sexuelle) Selektion führen also dazu, dem tauglichsten Tier das Überleben zu sichern, Unterarten und sogar eine neue Spezies zu bilden. Darwin kehrte am 9. Oktober 1836 nach England zurück und kritzelte erstmals im Jahr 1837 in seinem Notizblock einen Stammbaum des Lebens. Er war also noch keine 30 Jahre alt, als er die Grundlagen für seine Theorie beisammen hatte, aber es würde noch über zwanzig Jahre dauern, bis er sie in Buchform niedergeschrieben und hinreichend untermauert hatte. Kinder ihrer Zeit Darwins Buch Von der Entstehung der Arten durch natürliche Auswahl hat „wie keine andere Schrift vor oder nach ihm das bisher geltende Weltbild erschüttert und die Eigenliebe des Menschen gekränkt” schreibt Dietrich Schwanitz in seinem Bildungswälzer. Und tatsächlich kann man sich ohne komplizierte empathische Turnübungen vorstellen, dass das viktorianische Britannien nicht recht wusste, wie mit dieser Erkenntnis umzugehen ist. “Descended from the apes! My dear, let us hope that it isn't true! But if it is true, let us hope that it doesn't become widely known!” ließ die Frau des Bischofs von Worcester verlauten. Und ganz anders kam es: Selten hatte eine Theorie derartige Durchschlagskraft und wurde so weit herum bekannt wie die Evolutionstheorie. Beide Auflagen waren binnen weniger Tage ausverkauft. Was natürlich nicht bedeutet, dass die Theorie deswegen auch geglaubt wurde. Nicht einmal heute ist sie in der Bevölkerung vollständig akzeptiert. Die Zahlen darüber variieren beträchtlich, aber ganz offenbar bezweifeln schätzungsweise zwischen 30% bis 50% aller Amerikaner deren Richtigkeit. Wie alle Menschen, so sind auch Forscher Kinder ihrer Zeit. Einige wichtige Entdeckungen sind noch nicht gemacht, Dinge können noch nicht bewiesen werden oder die geltenden Gesellschaftsregeln verbieten Forschung in einer bestimmten Richtung. Aus heutiger Sicht gesehen, entspricht Darwins Tierbild im Grunde wunderbar einem gemäßigten christlichen Ideal: Männlein und Weiblein kommen zusammen, heiraten (in der Tierwelt zwar nicht) und bleiben, so sie denn beispielsweise Königspinguine sind, der monogamen Lebensweise verbunden, haben viele Nachkommen, die sich wiederum zu Paaren zusammenfinden und paaren, ad lib. Tempora mutantur..., die Zeiten ändern sich Nicht nur Organismen mutieren, sondern auch Zeiten, wir und unsere Weltbilder und so ist es uns wieder möglich, das, was längst alle sehen, neu zu denken. Denn tatsächlich ist es so, dass unsre romantische Vorstellung der Tierwelt reinste Projektion ist. In der Realität sieht man das Walross nämlich masturbieren, vergnügen sich Delfine gleichen Geschlechts miteinander, genau gleich wie Schwäne, Mackacken, Spinnen, Seehunde und Flamingos, von den berühmten „Sexaffen”, den Zwergschimpansen, ganz zu schweigen. Im Bremerhavener Zoo bilden gar die aussterbenden Humboldt-Pinguine lieber schwule Pärchen, als sich mit einem aus Schweden importierten Weibchen zusammenzutun. Das Phänomen der Liebe zum eigenen Geschlecht ist in der Biologie eigentlich längst bekannt, wohl aber anders bewertet worden. Einerseits gab es wenig Interesse, Widerwille und negative Vorurteile gegenüber der Homosexualität und Forscher fürchteten, selbst für homosexuell gehalten zu werden, wenn sie sich dem Thema annahmen; andererseits - und mindestens genauso schwer wiegend - hatte man die Evolutionstheorie und deren erdrückende Fülle an Beweisen ließ schlicht nur zu, homosexuelles Verhalten als rituelle Kämpfe (Sparring), Entartungen oder schlicht als Ausnahmen zu klassifizieren. Kann man tierische Homosexualität, das mittlerweile für 450 Tierarten feinsäuberlich dokumentiert und bei 1500 Arten zumindest beobachtet wurde aber tatsächlich als Ausnahme klassifizieren, als Perversion, Abnormalität, als Entartung gar? Oder ist an der Theorie etwas nicht richtig? Perversion oder Theoriefehler? Tatsächlich haben Evolutionstheoretiker ganz grundsätzliche Schwierigkeiten mit der Homosexualität: Homosexuelle (bisexuelle) Tiere zeugen weniger Nachkommen, obwohl sie doch, um ihre Gene weitergeben zu können - in Darwins Sinne also „erfolgreich” zu sein - möglichst viele Nachkommen zeugen müssten, damit viel Variation zu erzeugen und das Leben der eigenen Gene wie auch der Art nach Kräften zu sichern. Dies ist am einfachsten zu erreichen, indem sich das Weibchen ein Männchen aussucht, das zeigen kann, dass es paarungswürdig ist und mit ihm möglichst viele Nachkommen zeugt. Und so muss die Frage erlaubt sein, warum Homosexualität nicht längst ausgestorben ist, wenn sie sich so schlecht weiter vererbt? Also doch ein Theoriefehler? Nicht ganz, aber dass die Theorie dieser „sexuellen Selektion” eben “grundlegend falsch” sei und auch durch Nachbessern nicht zu retten sei, dessen ist sich Loan Roughgarden von der Standford Universität in Kalifornien sicher: Erstens seien Weibchen in vielen Fällen nicht die passiveren, die „die dargebotene Auswahl besonnen betrachten” und ohnehin sei die Dichotomie männlich/weiblich nur bei Säugetieren und Vögeln sinnvoll. Die Beispiele, die sie anbietet, können allerdings auch anders gedeutet werden. Dagegen wiegt der Hinweis schwerer, Darwin sei von der falschen Annahme ausgegangen, die Paarung diene primär der Spermienübertragung. Gerade bei Tieren mit sozialem Gefüge, wie beispielsweise bei Vögeln oder Säugetieren, diene der Kontakt vielmehr dazu, Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen, „die sich vielleicht später einmal auszahlen […] bei der Aufzucht von Nachkommen etwa.” Viel eher schlägt sie eine Theorie der “sozialen Selektion” vor. Hier geht es vor allem um Ressourcen wie Nahrung und Nistplätze, die ein Tier - falls vorhanden - dann unmittelbar nutzen und quasi als Verhandlungsbasis bei der Partnersuche einsetzen kann. Es geht also um Gruppenbildung, Freundschaften und eben um Beziehungspflege. Sie deutet sekundäre Geschlechtsattribute wie Pfauenschwanz nicht als Mittel, um Weibchen zu beeindrucken, sondern als Mitgliederausweise, die dem Besitzer „Zutritt zu den Zirkeln der Macht” verschaffen. Genau gleich deutet sie auch das Phänomen der penisähnlichen Klitoris der weiblichen Tüpfelhyäne, die Aristoteles noch zur Annahme verleitete, Hyänen seien grundsätzlich alle homosexuell. Die Weibchen erigieren ihr Organ viele Male täglich beim Kontakt mit anderen Weibchen; nach Roughgarden eben ein Dazugehörigkeitsmerkmal. Und wer dazugehört, hat größere Chancen bei der Paarung. Weder noch Darwins Theorie ist aber - dessen sollte man sich bewusst sein - eine genuin biologische und keine soziologische oder psychologische und kann daher gerade soziobiologische Phänomene, wie sie Roughgarden beschreibt, nicht erklären. Für Sverre Sjölander, Professor für Biologie an der Universität Linköping, ist es nach wie vor klar, dass Darwins Theorie gilt: „Noch haben wir keinen Anlass, die Evolutionstheorie in Frage zu stellen und es scheint unwahrscheinlich, dass sie jemand ändern könnte. Es ist ungefähr so wie die kopernikanische Theorie, dass sich die Erde als Kugel um die Sonne dreht. Noch sollten unsere Erklärungen der Welt mit demjenigen übereinstimmen, was wir über die Wirklichkeit wissen.” Man kann das Phänomen der Homosexualität nämlich - mit der Ausnahme, auf die Roughgarden hinweist - im Einklang mit Darwins Theorie betrachten. Beziehungsweise im Wechselspiel von Evolution und sozialen Verhaltensformen, wie es Edward Oswald Wilson bereits seit langem vorschlägt: Homosexuelle Tiere kümmern sich demnach mit um die Nachkommen der Verwandten und verhelfen sozusagen indirekt ihren eigenen Genen zum Fortbestand. Sex mit Signalfunktion Die einstweilige Unvereinbarkeit von Homosexualität und Evolutionstheorie beruht also auf der unreflektierten Annahme, Sexualität sei in erster Linie Instrument der Fortpflanzung. Dabei leistet sie viel mehr und erfüllt oft soziale Funktionen, so genannte Signalfunktionen. „Bei Säugetieren, die nicht als Paare zusammenleben, reicht meist eine kurze Brunstperiode von ein bis zwei Paarungen, um die Fortpflanzung zu sichern. Paart man sich dagegen öfter, auch außerhalb der Fruchtbarkeitszeit, bedeutet dies, dass die Sexualität auch eine Signalfunktion erhalten hat. Dies gilt für die meisten als Paare lebenden Tiere, die beide mit der Aufzucht der Jungen betreut sind. Da braucht es ein Signal, das sagt: Du kannst dich auf mich verlassen, ich bin dein Mann/deine Frau.” Ob es sich dabei aber um Sex zwischen homosexuellen Schwänen handelt, die sich selbst dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen (so genannte Rollensexualität), die fruchtbareren Paaren gleichsam die Eier stehlen, um sie dann selbst auszubrüten, oder ob es sich um heterosexuelle Pinguine handelt, spielt dabei keine Rolle. Daneben haben Tiere aber auch aus purer Lust sexuellen Kontakt oder onanieren und unterscheiden sich darin offenbar wenig von den Menschen. Die Vielfältigkeit der Natur, die Darwin so überwältigt hat, findet sich also auch im tierischen Sexualverhalten wieder. Und so ist es wie immer, wenn man genau hinschaut, komplizierter als man geahnt hätte. Höchste Zeit, 150 Jahre nach Darwins Theorie, mehr Licht in die tierischen Schlafzimmer zu bringen. |
Homosexuelle Tiere, wie sie die Ausstellung im naturhistorischen Reichsmuseum in Stockholm zeigt. Quelle: www.nrm.se/pressmeddelanden Urs ist gay-friendly, trotzdem straight und beweist dies, indem er bald Vater eines Kindes wird, das er als Germanist gemeinsam mit seinem sambo in Stockholm zu Strindberg oder Lagerlöff erziehen will. Kommt ganz drauf an, ob es ein schwules Mädchen wird oder umgekehrt. Urs Wartenweiler es suizo en Suecia. |
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